Von Gabi Arnold
Am Rande des kongolesischen Urwalds steht ein kleines Krankenhaus, das die
„Coburger Initiative für Ärzte im Congo“ seit einigen Jahren unterstützt. Seit
dem Jahr 2010 reist eine Gruppe auf eigenes Risiko und auf eigene Kosten in ein
Gebiet, in dem Tourismus völlig unbekannt ist. Seitdem sich die Coburger
engagieren hat sich das Krankenhaus schrittweise verbessert. „Es kann eine
Medizin angeboten werden, die über dem landesüblichen Durchschnitt liegt“, sagt
der Coburger Notarzt und Anästhesist Martin Lücke. Damit das Projekt fortgesetzt
werden kann, sind nun Spenden nötig.
Das Krankenhaus Kangu befindet sich in der armen Region Mayumbe in der Provinz
Bas-Congo, die am Atlantik liegt. Die Substanz der Backsteingebäude ist zwar in
Ordnung, aber in den Räumen bietet sich ein Bild vom Armut und Mangel-
angefangen bei den Betten in den Abteilungen, der Apotheke bis hin zu der
fehlenden Stromversorgung. Dennoch ist bereits ein Fortschritt seit dem Jahr
2010 zu verzeichnen, wenn auch in kleinen Schritten. „Wir erleben wie sich das
Krankenhaus nach und nach verbessert“, beobachtet Lücke bei seinen Besuchen.
Beispielsweise gebe es nun eine Transparenz in der Buchführung, die
Wasserversorgung sei in Zusammenarbeit mit dem katholischen Hilfswerk Misereor
verbessert worden. Dank des Vereins könnten seit dem November 2010 wieder
größere Operationen durchgeführt werden. Ermöglicht wird dies durch die
kongolesischen Ärzte Dr. Robert Muanda, der seine chirurgische Ausbildung in
Deutschland und Frankreich erhielt, und Dr. Michel Mbungu, der am Klinikum
Coburg das Wissen und die nötige Praxis zur Durchführung von Narkosen vermittelt
bekam.
Als die deutsche Delegation eintrifft stehen drei Prostataoperationen an, später
wird eine junge Frau einen kleinen Jungen per Kaiserschnitt zur Welt bringen.
Eine Schwester führt die Gruppe durch die einzelnen Abteilungen, überall
dasselbe Bild: Armut, Armut, Armut.
Im Untersuchungszimmer der Gynäkologie gibt es keinen Untersuchungsstuhl, für
Frühchen ist zwar ein Inkubator vorhanden, aber kein Stromanschluss. In der
chirurgischen Abteilung liegt ein junges Mädchen auf einer Holzpritsche. Sie hat
eine Infektion am Unterschenkel, die seit Monaten nicht heilt. In der
Kinderstation hat eine junge Mutter ihr malariakrankes und unterernährtes Baby
gebracht. „In Deutschland könnten wir helfen“, bemerkt Dr. Sigrid Gerding, die
am Klinikum als Anästhesistin arbeitet. Die Lebenserwartung im Kongo, erklärt
Lücke, liege bei 45 Jahren: „Weil es in diesem Land so wenig Möglichkeiten gibt
Kindern rechtzeitig zu helfen.“
Vor dem Gebäude kochen Menschen auf einer Feuerstelle eine Mahlzeit für die
Angehörigen; denn eine Krankenversicherung gibt es in diesem Land nicht. Die
Chefin der Apotheke des Klinikums Coburg Christine Schnitzer und Chefapotheker
Heiner Stepper vom Klinikverbund Sindelfingen-Böblingen machen sich derweil ein
umfassendes Bild von der Krankenhausapotheke.
Zentrum zur Förderung der Gesundheit
In Kangu befindet sich auch das Centre de la Promotion pour la Santé (Zentrum
zur Förderung der Gesundheit). Dieses hat der belgische Arzt Dr. Jacques
Courtejoie im Jahre 1966 gegründet. Seitdem lebt der heutige 84jährige als
Weißer unter der schwarzen Bevölkerung, um über Tropenkrankheiten aufzuklären.
Der Coburger Verein unterstützt auch die Arbeit von Courtejoie. Dank der
Coburger Initiative konnten 40 Bibliotheken mit Fachliteratur an die Landärzte
verteilt werden. „Ein Arzt im Kongo“, erklärt Lücke, „ist mit der ganzen
Bandbreite der Krankheiten konfrontiert.“
In der Hauptstadt Kinshasa
Das Krankenhaus Kangu liegt 550 Kilometer von der Hauptstadt Kinshasa entfernt.
Dies entspricht einer Tagesreise, der sandige und hügelige Weg führt durch die
wunderschöne Landschaft mit bizarren Bäumen, Palmen mit Bananen, Papayas und
Mangos. Entlang des Weges sind kleine Siedlungen, in schlichten Lehmhütten leben
die Menschen, Kinder spielen im Sand und winken den Weißen begeistert zu,
manchmal betteln sie um Essen.
In der Hauptstadt Kinshasa wohnen die deutschen Besucher im Privathaus von Nico
Nzau Nzau, einem langjährigen Freund des Vereinsvorsitzenden Klaus Rückert. Die
Grundstücke sind von meterhohen Mauern umgeben, als Schutz vor Einbrechern: Die
Demokratische Republik Kongo ist das ärmste Land der Welt. Ein Bürger der DR
Kongo hat durchschnittlich 220 US-Dollar in einem Jahr zur Verfügung. Das
bedeutet, dass er für einen Tag etwa 60 Cent zum Leben hat.
In der Stadt drängen sich die Autos dicht an dicht, dazwischen ein Gewimmel an
Menschen. „Man hat den Eindruck ganz Afrika ist auf den Beinen“, sagt Klaus
Schwarz. An den Straßen reihen sich kleine, bunte Läden, auch davor haben
Händler ihre Waren ausgebreitet, Obst, Gemüse, Getränke-das Leben spielt sich am
Straßenrand in der Hitze, im Staub, in Autoabgasen und Müll ab; eine Müllabfuhr
existiert nicht, der Abfall wird punktuell am Straßenrand verbrannt. In der
Hauptstadt informieren sich Lücke, Gerding, Stepper auch in der
Universitätsklinik. Es ist erschreckend: In der gesamten Republik Kongo mit 80
Millionen Einwohnern gibt es nur 40 ausgebildete Anästhesisten und 600
Schwestern, die eine Narkose durchführen dürfen. Zum Vergleich: Am Klinikum
Coburg sind zwischen 25 und 30 Anästhesisten beschäftigt. „Das bedeutet, dass
viele Menschen keine menschenwürdige Operation erhalten können“, so Lücke. Es
herrscht auch in der Uniklinik ein Engpass an Medikamenten, beispielsweise
vermissen die Ärzte das Schmerzmittel Morphin. „Das Problem besteht darin, dass
viele Medikamente auf dem offiziellen Markt sehr teuer sind“, sagt Gerding. So
koste eine Ampulle des Narkosemittels Propanol sechs Dollar, in Deutschland
hingegen nur 80 Cent.
In der Deutschen Botschaft in Kinshasa
Diese kleinen privaten Initiativen werden vom Deutschen Botschafter in Kinshasa
Dr.Wolfgang Manig begrüßt. Manig spricht bei einem Empfang seine Anerkennung aus
und sichert Unterstützung bei anstehenden Projekten zu. Punktuelle
Verbesserungen kleiner Initiativen strahlen in das Land aus, meint er. Er möchte
sich dafür einsetzen, dass das Krankenhaus Kangu an das Stromnetz angeschlossen
wird. Er informiert über Fördergelder, die einer Kooperation mit dem Klinikum
Coburg möglich sind.
Unsere Konzeption, so Lücke, bedeutet, dass Menschen die Medizin im Kongo
bereits im Kopf haben, zu zeigen wo die Reise hingehen könnte, wenn man Schritt
für Schritt voran schreitet und das Praktikable unserer Medizin in ihr Land
transferieren, dann ist dem Kongo geholfen.“ Doch die Coburger profitieren von
den Besuchen ungemein. „Die DR Kongo eben nicht nur ein Land von Hunger, Gewalt
und Bürgerkrieg ist, sondern in Neunzehntel des Gebietes ist es total friedlich.
“ Es gebe immer wieder bewegende Momente voll Wärme und Gastfreundschaft. Trotz
allen Mangels sind die Menschen offen, freundlich und fröhlich.
An der Reise Kongoreise 2013 haben teilgenommen: Klaus Rückert
(Vereinsvorsitzender), Christine Schnitzer (Apothekerin), Heiner Stepper
(Apotheker), Dr. Sigrid Gerding (Anästhesistin), Martin Lücke (Notarzt und
Anästhesist), Professor Dr. Georg Roth (FH Coburg Maschinenbau und
Automobiltechnik), Klaus Schwarz ( Speditionskaufmann in Rentner aus Berlin) und
Gabriele Arnold ( Freie Journalistin).
Das für die Region so wichtige Krankenhaus hatte in den vergangenen Jahren einen
Niedergang erlebt, es mangelte an Know-how, an der Ausstattung und an den
notwendigen Materialen für den täglichen Bedarf, die Situation hatte sich
verschärft , als eine regelmäßige chirurgische Versorgung nicht mehr ausrecht
erhalten werden konnte.
www. coburger-initiative-congo.de, Spendenkonto: 40 208 423 Bankleitzahl: 783
500 00, Sparkasse Coburg-Lichtenfels.
Besuch in der
Entbindungsstation.
Erst
wenn
die
Rechnungen
bezahlt
sind
, dürfen
die
jungen
Frauen
mit
ihren
Babys
nach Hause.
Eine
Krankenversicherung
existiert
nicht:
Ein Blick in die chirurgische Abteilung des Krankenhaues; ein Junge hat eine Infektion am Unterschenkel:
Die Coburger Gruppe besucht die Kinderstation; es herrscht überall ein Bild von Armut und Mangel:
Die
beiden
alten
Menschen
warten
vor
dem
Krankenhaus:
Fotos: Gabi Arnold
© Coburger Initiative für Ärzte im Congo e. V. 2013